Wortschatzarbeit (3): Lexical chunks – Grundlagen

Lili Richter, Wien

Dies ist Teil 3 der 6-teiligen Serie "Wortschatzarbeit" von Dr. Tanja Greil, Fachdidaktikerin für Englisch an der Universität Salzburg.
Sie können die gesamte Serie als kostenloses PDF downloaden.

In meinen ersten beiden Blogbeiträgen zur Wortschatzarbeit und zu den Möglichkeiten, die das Lehrwerk easy hier bietet, stand am Anfang ein didaktischer Grundsatz des Lehrplans für Lebende Fremdsprachen für die NMS und die AHS Unterstufe:

Bei diesem didaktischen Grundsatz setze ich auch zu Beginn dieses Beitrags an:

Kontextualisierung von Wortschatz und Grammatik

„Der Vermittlung von Wortschatz und Grammatik in vielfältig kontextualisierter und vernetzter Form ist größtes Gewicht beizumessen, zB ist Vokabular, wo immer möglich, in Kollokationen, Redewendungen und Phrasen mit impliziter Grammatik einzubetten. […] Wo es sinnvoll ist, sind grammatische Strukturen besser ohne Regelformulierung als lexikalische Einheiten zu vermitteln.“ [1]

Wir beschäftigten uns hier mit der Anforderung, „Vokabular, wo immer möglich, in Kollokationen, Redewendungen und Phrasen mit impliziter Grammatik einzubetten. […] Wo es sinnvoll ist, sind grammatische Strukturen besser ohne Regelformulierung als lexikalische Einheiten zu vermitteln.“

Dieser Ansatz wurde populär durch den Linguisten Michael Lewis, Autor von The Lexical Approach [2]. Seither wird dafür oft der englische Oberbegriff lexical chunks verwendet, im Lehrplan ist von lexikalischen Einheiten die Rede. Aber sehen wir uns das noch genauer an:

Was sind lexical chunks? [3]

Um Scott Thornbury’s Worte (2019, 16) zu verwenden: „chunks are really just ‚big words‘„. Was alle chunks verbindet, ist, dass sie immer eine Kombination von zwei oder mehreren einzelnen Wörtern sind.

Die zwei wichtigsten Gruppen sind:

  • Kollokationen, also Wortverbindungen, die typischerweise gemeinsam vorkommen; besonders häufig sind verb-noun-Kombinationen, die auch für die SchülerInnen im Anfangsunterricht beim Sprechen und Schreiben besonders wichtig sind:
    have a party, play an instrument, ride a bike, listen to music, go for a walk, call for help, take a photo
  • Lili Richter, Wien

    fixe / formelhafte Ausdrücke, die sich nicht verändern und für die SchülerInnen beim Sprechen und Schreiben sehr nützlich sind, denn: Sind sie einmal gelernt, sind sie ready to use! Im Lehrplan werden sie als Phrasen mit impliziter Grammatik bezeichnet. Thornbury (2019, 2) nennt sie fixed expressions und formulaic utterances.
    z.B. Nice to meet you. I am sorry. See you soon. See you tomorrow. Good idea. I don’t know. Go away! Here you are. You are right. Yes, of course.

Daneben gibt es auch noch:

  • typische Satzanfänge (vor allem beim Sprechen): Well, …; Sorry, but …; Oh, look, …
  • Redewendungen oder idioms, die im Anfangsunterricht praktisch keine Rolle spielen.

Kollokationen und fixe / formelhafte Ausdrücke

Alle genannten Beispiele stammen aus easy book 1. Ein Blick in das Buch (aber auch in den Lernwortschatz easy vocab) zeigt, dass Kollokationen eine sehr große Rolle spielen: Die SchülerInnen lernen insbesondere viele verb-noun-Verbindungen kennen, damit sie diese Kombinationen selbst auch direkt anwenden können und die Wörter nicht einzeln abrufen und zusammenfügen müssen.

Die fixen oder formelhaften Ausdrücke sind im Anfangsunterricht eine kleinere, aber doch auch sehr nützliche Gruppe, wie Scott Thornbury (2019, 17) beschreibt: „At beginner / elementary levels, chunk learning should take the form of the formulaic ways that certain common speech acts are realised, such as making requests, apologising, etc.

Diese Aussage leitet bereits über zur zentralen Frage:

Was ist der Vorteil von lexical chunks?

Im Anfangsunterricht können SchülerInnen mit Hilfe von lexical chunks allgemeine Sprechakte umsetzen. Damit sind sprachliche Handlungen gemeint, die wir in Alltagssituationen brauchen, zum Beispiel: sich begrüßen (greeting), etwas anbieten (making an offer), um etwas bitten (asking for something), sich entschuldigen (apologising) etc

In solchen Kommunikationssituationen sind die fixen oder formalhaften Ausdrücke besonders wichtig. Die SchülerInnen könn(t)en sie selbst grammatikalisch noch nicht konstruieren, aber sie können sie als fixed expressions trotzdem erfolgreich anwenden.

Sehen wir uns dazu ein Beispiel aus easy book 1 an:

Lili Richter, Wien

In Unit 1: My new school – B: Where are you from? begegnen die SchülerInnen den wichtigsten formelhaften Phrasen, um sich vorzustellen und andere Kinder nach einfachen persönlichen Informationen zu fragen, sie lernen also die Sprechakte introducing yourself und asking for (simple) personal information (name, where from) kennen.

  • Auf der ‚Bildschirm‘-Seite sehen die SchülerInnen typische Kennenlernszenen in einer neuen Schulklasse. Die Bilder und die Sprechblasen machen die Situationen für die SchülerInnen leicht nachvollziehbar und die bildliche Darstellung der Situationen unterstützt auch das spätere Abrufen der chunks.
  • Die SchülerInnen können diese Dialoge selbst lesen, in einem weiteren Schritt dann auch verändern und auf sich selbst und die MitschülerInnen anwenden. So lässt sich introducing yourself in einer neuer Klasse authentisch in vielen kurzen Dialogen üben.
  • Die formelhaften Phrasen sind aber auch Teil des Lernwortschatzes: einerseits in My new words (easy book, Seite 16) und anderseits in easy vocab, S. 9.
  • Die SchülerInnen können einfache Fragen stellen und Antworten geben, ohne dass diese grammatischen Strukturen hier bereits eingeführt werden. Hier wird der didaktische Grundsatz aus dem Lehrplan umgesetzt, „wo es sinnvoll ist, grammatische Strukturen besser ohne Regelformulierung als lexikalische Einheiten zu vermitteln“.

Im nächsten Blogbeitrag wird es um weitere Vorteile von lexical chunks gehen.

(Serie Wortschatzarbeit Teil 1 | Teil 2 )


[1] Auszug aus dem NMS-Lehrplan bzw. AHS Unterstufe-Lehrplan – LEBENDE FREMDSPRACHE, Didaktische Grundsätze:
NMS: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40207228/NOR40207228.pdf S. 37 bzw. AHS US: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung/Bundesnormen/10008568/Lehrpl%c3%a4ne%20%e2%80%93%20allgemeinbildende%20h%c3%b6here%20Schulen%2c%20Fassung%20vom%2012.11.2019.pdf S. 56

[2] Michael Lewis (1993). The Lexical Approach. Hove: Language Teaching Publications.

[3] Eine genauere Differenzierung finden Sie bei Scott Thornbury (2019, 2). Learning language in chunks. Part of the Cambridge Papers in ELT series. [pdf] Cambridge: Cambridge University Press. Available at: https://www.cambridge.org/elt/blog/campaign_page/cambridge-papers-elt/

 


 

Tanja Greil ist seit 2004 Fachdidaktikerin für Englisch an der Universität Salzburg. Als Englischlehrerin war sie in verschiedenen Schulen und in der Erwachsenenbildung tätig. Neben allen didaktischen Fragen rund um den Englischunterricht beschäftigt sie ihre Familie, mit der sie in Tirol lebt.

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