Vokabellernen. Muss man überhaupt?

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Lili Richter, Wien

Muss Vokabellernen sein oder reicht die Anwendung und Erarbeitung im Unterricht? Wie geht’s am besten? In Elternforen, Sprechstunden und Lehrerzimmern nehmen die Diskussionen über dieses Thema mitunter das Ausmaß von Glaubenskriegen an. Gibt es die eine Wahrheit?

In diversen Elternforen ist das Vokabellernen ein immer wiederkehrendes Thema und es birgt das Potential zu nachhaltiger Verunsicherung. Wenn man den Einträgen glaubt, und ich bin da grundsätzlich sehr skeptisch, sind anscheinend viele Kinder verunsichert darüber, was die LehrerInnen von ihnen wollen und wie die Vokabel gelernt werden sollen. Das mag vielleicht auch mit der vorhandenen Vielfalt an Methoden und Erfolgsrezepten zu tun haben. Lernen mit Bildern, mit Musik, mit Tanz, Vokabeln auf Band sprechen und vor dem Einschlafen anhören, Schafe schieben und was denn noch alles.

Gibt es einen richtigen Weg, die eine Methode?

Die Antwort ist: Leider, nein.

Jim Scrivener, as always, gibt einen schönen und sehr brauchbaren Überblick über die Fallstricke von Vokabellisten (und also auch Heften) und die vielfältigen Möglichkeiten, in der Klasse Wortschatzarbeit zu betreiben

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Lili Richter, Wien

[Lexis] refers to our ‚internal database‘ of words and complete ‚ready made‘ fixed / semi-fixed / typical combinations of words that we can recall and use quite quickly without having to construct new phrases and sentences word by word from scratch using our knowledge of grammar. SCRIVENER, 186

Sein Schwerpunkt liegt auf Kontextualisierung und Erweiterung des Fokus auf Einzelwörter in Richtung Lexis. Ein stimmiger Ansatz, der auf ein konstantes Verweisen auf schon bestehenden Wortschatz abzielt, und auf das Verwenden. Das verlangt von den LehrerInnen den Überblick zu wahren und die Progression entsprechend zu gestalten. Mit einem Lehrbuch, das darauf Rücksicht nimmt, geht das und das Vokabellernen aber ganz easy.

Those were the days my friend…

Eines der ältesten Dinge in meinem Arbeitszimmer ist eine fünfteilige Lernkartei. Baujahr ca. 1980, Sperrholz verleimt und genagelt. Damit habe ich mir in der Schulzeit und im Studium meinen Grundstock an Vokabelwissen und Sprachgefühl erarbeitet. Ganze Sätze in Englisch auf der einen Seite, korrekte deutsche Übersetzung auf der anderen. Mein Englischlehrer hat uns damit zur Verzweiflung getrieben und in der Unterstufe regelmäßig ganze Schulstunden nur auf die Durchsicht und Korrektur der Kärtchen verwendet. Und ich arbeite bis jetzt auch so, weil ich nach wie vor davon überzeugt bin, dass die Arbeit mit der Lernkartei für viele Lernende die effizienteste und nachhaltigste Methode darstellt, die viele unterschiedliche Lernstile und -gewohnheiten zu bedienen vermag und viel an Wissen en passant vermittelt.

But (as many of us will recall from our own studies of other languages) getting to be on familiar terms with lexis can be quite difficult. The long lists of words and our translations in our exercise books somehow always seem to defy memory, and even when we can recall the word we want, it doesn’t always seem to fit comfortably into our own sentences. SCRIVENER, 187

Ein kleines Beispiel: Als ich dann doch in der Schule landete (als Lehrer), war ich sehr überrascht, welch großen Platz phrasal verbs in Schulbüchern und Onlineressourcen einnehmen. Für mich war das als Lerner nie ein Thema, weil die Vielfältigkeit der Sprache sich auf meinen Karteikärtchen selbstverständlich abbildete, insbesondere nachdem ich begonnen hatte, Sätze aus Artikeln oder Büchern auf die Karten zu übernehmen. Ich bin immer noch leicht verwundert über die Tabellen mit den 5000 wichtigsten phrasal verbs, aber anscheinend ist ye good ol‘ Vokabelheft immer noch so verbreitet, dass es viele Lernende gibt, für die derartige Listen Sinn machen.

… we thought they’d never end!

Vokabellernen - My new words - Body
Lili Richter, Wien

Vielleicht halten ja viele KollegInnen am Vokabelheft fest, weil sie selber so gelernt haben (wie ich mit der Lernkartei) und weil damit auch Erwartungshaltungen von Eltern leicht bedient werden können. (Das wird einmal ein eigener Blogeintrag!) Aus Interesse habe ich begonnen ein bisschen zu recherchieren, um herauszufinden, welche Vorteile das Vokabelheft bietet. Ich fand nichts. Nur in einer gut lesbaren und empfehlenswerten Anleitung zur Arbeit mit der Lernkartei Auszüge aus einem Artikel über das Vokabellernen und die Nachteile der Lernkartei, die ich so nicht nachvollziehen kann. Und eben über die Praktikabilität des Vokabelheftes, wenn es z.B. darum geht, die getane Arbeit des Eintragens zu kontrollieren oder gezielt Vokabel einer Unit zum Lernen aufzugeben. Wie und warum man mit einem Vokabelheft besser lernt, konnte ich nicht herausfinden.

Für nächstes Schuljahr überlege ich, erstmals von der Lernkartei Abschied zu nehmen. Ich möchte die Wortschatzarbeit hauptsächlich über Aktivitäten im Klassenzimmer steuern und durch zwei tools unterstützen.

Sprachenschatzkiste

Die Sprachenschatzkiste ist vom Europäischen Sprachenportfolio für die Grundschule abgeschaut und seit langem fixer Bestandteil meines Unterrichts. Bei mir funktioniert das so: Ein Teil des exercise book wird zur Sprachenschatzkiste, hier sammeln wir themenorientiert Wörter, Phrasen, chunks. Das können word maps sein, Zeichnungen, die beschriftet werden, Beispielsätze – was immer für die Klasse in der Situation gerade passt. So haben sie eine selbst gestaltete, über das Lehrbuchangebot hinausgehende Wortschatzsammlung, die durch die intensive und oft auch kreative Beschäftigung oft schon die erste Aufmerksamkeitsschwelle überwunden hat. Auch ergeben sich in der Erstellungsphase oft gute Anknüpfungspunkte für Fragen der SchülerInnen. Durch die Konzentration auf chunks oder ganze Sätze kommen grammatikalische Strukturen wieder vor und können aufbereitet werden.

Quizlet

Nachdem einige KollegInnen hervorragende Erfahrungen damit gemacht haben, werde ich Quizlet auch eine Chance geben. Im Wesentlichen ist Quizlet ein Karteikartentool, das viele Vorteile der klassischen Lernkartei mit den Vorteilen einer am Handy immer und überall verfügbaren App verbindet. Ich bin nach wie vor etwas skeptisch, was den Arbeitsaufwand für LehrerInnen angeht, und traurig, dass der feinmotorische, haptische Aspekt der handgeschriebenen Karteikarten verloren geht. Andererseits bin ich aber auch sehr angetan von den zusätzlichen Möglichkeiten, die die App bietet. The proof is in the pudding. I’ll keep you posted!

Ich bin schon gespannt wie sich das in der Praxis bewähren wird und suche weiter das Vokabelei des Kolumbus. Habt ihr es für euch gefunden? Let me know below!

Literatur:

  • Scrivener, Jim. Learning Teaching. The Essential Guide to English Language Teaching. Third Edition. in: Underhill, Adrian (Hg.). Macmillan Books for Teachers. Oxford: Macmillan Education. 2011.

Weblinks:

Ulrich Pichler unterrichtet Englisch und Geschichte am BG Rein nordwestlich von Graz. Wenn er nicht gerade in der Klasse steht, Texte korrigiert oder standespolitisch aktiv ist, rennt er seinen drei Kindern und der Katze hinterher, steigt auf Berge, in Segelboote sowie Fettnäpfchen und bemüht sich um das Weglesen von Bücherstapeln. Anglophil und pretty much old school.

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