Die genial einfache Power-Übung

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Andrea Klein, Graz

Möchten Sie wissen, wie Sie binnen weniger Sekunden ihr Energieniveau und Ihren Selbstwert dramatisch erhöhen können? Ohne chemische Substanzen und ohne andere Hilfsmittel? Gratis und ohne schädliche Nebenwirkungen? Und diese Übung auch an Ihre Schüler*innen weitergeben, damit diese vor Tests, Schularbeiten und anderen Stresssituationen ein bisschen herunterkommen?

Das klingt vielleicht wie ein faules Versprechen eines einschlägigen „Du-kannst-alles-die-Kraft-ist-in-dir“-Guru. Ist es aber nicht – es handelt sich um ein an der Universität Harvard erforschtes Phänomen und niemand verdient Geld an Ihnen! Und, es ist mir fast ein bisschen unangenehm, das zu sagen, aber: Die Kraft ist tatsächlich in Ihnen! Und in Ihren Schüler*innen.
Es geht um eine grandios einfache Eigenhormon-Kur. Durch eine bestimmte Körperhaltung beeinflussen Sie Ihren Hormonhaushalt positiv – und das, wie gesagt, binnen Sekunden.

Dieser fantastische Trick sollte bereits allen SchulanfängerInnen bekannt gemacht werden, ist aber auch für Unterrichtende enorm wichtig. Und was mir dabei besonders behagt: Er kostet weder Zeit noch Geld.

Wie funktioniert das genau?

Dass unsere Körperhaltung Signale an die Umwelt sendet, haben wir schon lange gelernt. Man soll nicht mit verschränkten Armen auftreten, das signalisiert angeblich Verschlossenheit (ob das immer so ist, sei dahingestellt). Jemanden anlächeln erweckt Sympathie. Jemand, der die Stirn runzelt, ist kritisch oder verärgert. Das ist längst bekannt und nicht weiter spannend. Schon Kleinkinder und sogar Babys können Körpersprache deuten und darauf reagieren. Wenn die Lehrerin stirnrunzelnd reinkommt, duckt sich schon die halbe Klasse.

Symbolbild für Greta Thunbergs Rede

Viel faszinierender aber ist, dass unsere Körperhaltung auch Signale nach innen sendet, also auf unsere eigene Stimmung Einfluss hat. Die amerikanische Soziologin Amy Cuddy (Harvard University) beschreibt in einem mitreißenden und unterhaltsamen 20-minütigen TED-Talk (auf Englisch mit Untertiteln) folgendes Phänomen:

Wenn Menschen oder andere Lebewesen sich schwach, unterlegen, oder auch nur energielos fühlen, nehmen sie eine zusammengekauerte, „zusammengefaltete“ Körperhaltung ein. Sie rollen sich entlang der Längsachse (entspricht der Wirbelsäule) nach vorne ein. Das ist die typische Handy-Spiel-Haltung vieler Jugendlicher: Schultern nach vorne, Rippen zusammengesunken, Rücken gewölbt, Kopf gesenkt: diese Haltung schützt die überlebensnotwendigen Organe an unserer Vorderseite.

Ganz anders die typische SiegerInnen-Haltung: Wenn ein Lebewesen, ob Mensch oder Tier, sich stark fühlt, zum Beispiel wenn jemand einen 400m –Lauf gewonnen hat, wird er als Ganzes größer und breiter – er entfaltet und verbreitert seinen Oberköper, die Schultern gehen nach außen und zurück, das Brustbein kommt nach vorne und die Arme gehen seitlich nach oben in Form eines Ypsilons. Das Kinn kommt ein wenig nach oben, die Finger sind gestreckt und kraftvoll.

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Andrea Klein, Graz (in der Siegerinnen-Haltung)

Spannendes Detail: Dass diese breite, ausgedehnte Körperhaltung eine universelle, allen Säugetieren angeborene Siegeshaltung ist und nicht auf sozialen Konventionen oder Nachahmung beruht, zeigt die Tatsache, dass blinde SportlerInnen, die einen Wettkampf gewonnen haben, ebenfalls die Arme auf diese Art nach oben reißen. Sie haben das bei niemandem abgeschaut, sie tun es einfach, weil es eine natürliche, uns angeborene Power-Pose ist.

Was nützt nun diese Erkenntnis?

Sehr viel! Und wir müssen nicht ab sofort den ganzen Tag mit erhobenen Armen herumrennen. Diese Körperhaltung ist so etwas wie eine Eigen-Hormon-Therapie, oder ein legales Selbst-Doping.

Wie bitte? Was soll das denn sein?

Ganz einfach: Wir können durch diese Körperhaltung unseren Hormonhaushalt auf ganz einfache Weise positiv beeinflussen. In Untersuchungen wurde festgestellt, dass durch die Power-Haltung der Testosteron-Anteil im Blut ein wenig ansteigt. Das ist jenes Hormon, das für ein Gefühl von Macht, Energie und Bewältigungsglauben sorgt. Zugleich sinkt die Cortisol-Menge im Blut. Cortisol ist ein Stresshormon, das heißt, der Stresspegel sinkt.

Wir bekommen also Überlegenheit, aber nicht auf eine nervige, gestresste Art, sondern sind souverän und gelassen  – und trotzdem mächtig. Und, liebe Damen, keine Sorge wegen des Testosterons: Es wird Ihnen kein Vollbart wachsen und Sie werden nicht zum Mann. Jede Frau hat schon ein bisschen Testosteron in sich, nur deutlich weniger als Männer. Kinder in der Unterstufe wissen oft noch nicht, was Hormone sind, dann sprechen Sie einfach von Körpersäften – das kennen auch Kinder, wenn ihnen Ärger oder Glück einschießen, diese sind ja alle chemisch gesteuert.

Was kann ich nun tun?

Amy Cuddy schlägt in diesem sehenswerten Vortrag vor, täglich 2 Minuten diese Siegeshaltung einzunehmen, damit der Körper auf Erfolg programmiert wird.

noun_strong_1667306Dass Körperhaltungen bestimmte Gefühle verursachen können, wurde bereits mit dem „Lächel-Experiment“ bewiesen: Lächeln wir, weil wir glücklich sind oder sind wir glücklich, weil wir lächeln? Was ist die Ursache? Beides funktioniert!

Auch durch erzwungenes Lächeln, so seltsam es klingen mag, können wir unsere Stimmung positiv beeinflussen, zum Beispiel indem wir einen Bleistift zwischen die Zähne klemmen und versuchen, mit den Lippen den Stift nicht zu berühren. Nach spätestens 60 Sekunden schüttet das Gehirn Glückshormone aus und unsere Stimmung hebt sich.

Sie zweifeln?

Probieren Sie es aus! Jetzt gleich! Wenn Sie keinen Bleistift haben, nehmen Sie Ihren Zeigefinger. Los gehts! Multitasking bedeutet, mit einem Stift oder Finger im Mund weiterlesen zu können. Sie müssen auch nicht daran glauben. Es funktioniert trotzdem. 😊

Zwingen Sie aber keine Schulklasse dazu, und schon gar keine einzelne Schülerin oder einzelnen Schüler, vor allen anderen in dieser Y-Haltung zu stehen, das könnte Ablehnung hervorrufen. Bei den Kleinen funktionier es noch, aber: „Je Pubertät, desto Widerstand.“ 😉

Bei manchen Klassen funktioniert es, wenn man hineingeht und augenzwinkernd sagt „Hurra, endlich wieder Englisch! Alles jubelt!“, die Arme in die Höhe reißt und auf den Herdentrieb wartet, oder: „Rise and shine, wave your arms!“ ruft – und dann hofft man eben, dass es ein paar gibt, die mitmachen und die übrigen mitreißen!

Zumindest eine Person, die motiviert ist!

Falls alle Ihre motivierenden Worte ihre Wirkung verfehlen und ein Haufen SchülerInnen Sie anglotzt, als wären Sie gerade aus einer Raumkapsel gestiegen: Es macht nichts, wenn die Klasse nicht mitmacht. Dann machen SIE es eben für SICH, wenn Sie am Anfang der Stunde da draußen stehen! Dann haben wir schon eine Person in der Klasse, die motiviert ist! 😊

Diese Haltung ist für Lehrer*innen und Schüler*innen gleichermaßen wichtig und ausprobierenswert, Stichwort: „kurz vor der Schularbeit“ oder: „Verhandlung mit der Direktorin wegen zwei freier Tage“.

Es kostet Sie nur wenige Sekunden – und sogar die Fernsehnachrichten sind leichter erträglich, wenn man sie mit erhobenen Armen anschaut!

noun_cat y_1238326Meine Version ist übrigens leicht abgewandelt: Statt tatsächlich zwei volle Minuten mit erhobenen Armen dazustehen, was Amy Cuddy vorschlägt, und was nach einiger Zeit sehr anstrengend ist, schlage ich vor, immer wieder untertags die Arme für ca. 5 Sekunden hochzunehmen – das teilt dem Körper dann jedesmal mit, dass er erfolgreich ist! Und die Arme kurz hochzuwerfen ist im Zweifelsfall auch in der Öffentlichkeit deutlich tauglicher als sie oben zu halten! Ich empfehle meistens das stille Örtchen dafür, da es vielen Menschen einfach unfassbar peinlich ist, diese Bewegung zu machen.

Wenn Sie einmal eine Supplierung haben oder sonst geschenkte Zeit mit Schüler*innen, schauen Sie sich das Video an, es lohnt sich! Deutsche Untertitel machen es auch für jüngere Schüler*innen relativ gut verständlich. Bei denen stoppe ich es immer wieder, um nachzuprüfen, ob es auch verstanden wurde.

Wann soll ich damit beginnen?

Was für eine Frage!

Es ist ja nicht eine Diät, wo man auf den abnehmenden Mond oder den leeren Kühlschrank wartet, oder das Großaufräumen, das man am nächsten Monatsersten startet. Ist jemand bei Ihnen im Moment, während Sie jetzt lesen? Wenn Sie nicht allein im Raum sind, gehen Sie in den nächstbesten freien Raum, wenn es sein muss, das WC.

Wenn niemand in der Nähe ist, tun Sie es JETZT! Und haben Sie Spaß bei der positiven Beeinflussung Ihrer Hormone. So einfach, kostengünstig und legal gibt es kaum eine Stimmungsänderung!

Zum Weiterlesen

Hier noch einige Literaturtipps von Andrea und der Redaktion des easy-Blogs:

  • Amy Cuddy: Presence. Bringing Your Boldest Self to Your Biggest Challenges. Orion Publishing Group 2021 (Paperback)
  • Maja Storch et. al.: Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. Bern: Hans Huber Verlag 2010
  • Richard Wiseman: Machen, nicht denken. Die radikal einfache Idee, die Ihr Leben verändert. Frankfurt: Fischer 2013

 

Gehirntrainerin, Englischlehrerin, CD-Produzentin und Zauberin in Graz, beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Entwicklung innovativer Lehr- und Lernmethoden: www.hirnsalz.at

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