Sind Ihre SchülerInnen fit für das 21. Jahrhundert?

An dieser Stelle möchte ich Sie auf eine Gedankenreise mitnehmen [1]. Stellen Sie sich folgendes  Szenario vor: Ihr Kind, Enkelkind, Nichte, Neffe oder ein Kind, das Sie gut kennen, beginnt dieses Jahr mit der Schule. Nun beantworten Sie die folgenden Fragen. (Möglicherweise hilft es, wenn Sie sich ein paar Notizen machen).

  • Wie wird die Welt in 20 Jahren aussehen, wenn Ihr Kind seine Ausbildung abgeschlossen hat und in die Arbeitswelt eintaucht? (Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie an die letzten Jahre zurückdenken. Welche Veränderungen haben Sie miterlebt? Welche erwarten Sie für die nächsten Jahre?)
  • In dieser Welt, die Sie sich nun vorstellen, welche Kompetenzen und Fähigkeiten braucht Ihr Kind um zurechtzukommen?
  • Wenn Sie an Ihre eigenen „Top-Erfolgserlebnisse“ als SchülerIn zurückdenken, welche Faktoren haben zu diesem Erfolg beigetragen? (Denken Sie an Situationen, wo Sie sich so intensiv mit etwas auseinandergesetzt haben, dass Sie ein echtes Erfolgserlebnis verbuchen konnten.)

Ein Strauß von Ideen

In den Workshops, die ich zu diesem Thema halte, entsteht bei diesem Experiment meist eine Sammlung von Ideen, wie z.B.:

  • die Welt wird digitaler sein
  • Kommunikation wird noch wichtiger sein, wird aber anders stattfinden
  • man muss flexibel sein und sich anpassen können
  • man muss erfinderisch sein
  • man muss (Medien) kritisch hinterfragen und Informationen filtern können
  • erkennen können was wichtig ist

Diese Ideen lassen sich unter dem Konzept „21st Century Skills“ zusammenfassen, also jene Fähigkeiten, die SchülerInnen für eine (digitale) Zukunft brauchen.

Ein Blick zurück

Bereits seit dem Jahr 2002 arbeitete das Partnership for 21st Learning (P21) daran, herauszufinden, was getan werden kann, um SchülerInnen besser auf die Anforderungen einer modernen Arbeitswelt vorzubereiten, denn es gab, und gibt immer noch, eine große Kluft zwischen dem, was in den Klassenzimmern gelernt und dem, was im Job verlangt wird. Die Haupterkenntnis aus diversen Beobachtungen und Untersuchungen war, dass sich die Arbeitswelt so rasant und drastisch verändert, dass unbedingt in der Ausbildung der jungen Menschen darauf reagiert werden muss. Um den sich ständig verändernden Anforderungen Rechnung zu tragen, veröffentlichte das Center for Curriculum Redesign 2015 das CCR Framework, welches bis heute vielen Ländern als Grundgerüst für ihre reformierten Lehrpläne dient.

Das CCR-Framework

Im CCR Framework gibt es 3 Hauptkategorien, die sich alle überschneiden:

  • Wissen
  • Skills
  • Charakter

Die Kategorie „Wissen“ bildet die Unterrichtsfächer und die darin vermittelten Inhalte ab.

Herzstück des CCR ist die Kategorie der Skills, die sog. „4Ks“ oder „4Cs“:

  • Kreativität
  • Kritisches Denken
  • Kommunikation
  • Kollaboration

In dieser Kategorie geht es nämlich nun darum, wie das Wissen umgesetzt und angewandt werden kann.

Give me a „C“!

Die 4Ks sind mittlerweile zu einem wahren Buzzword in der Bildungslandschaft geworden und bilden das Herzstück der 21st Century Skills. Was bedeuten sie aber nun genau?

Trilling & Fadel haben jedes der 4Ks genau definiert, hier je drei Beispiele [2]:

Kreativität und Innovation

  • originell und innovativ arbeiten
  • neue Ideen entwickeln, umsetzen und anderen mitteilen
  • verschiedene Techniken zur Ideenfindung anwenden

Kritisches Denken

  • neue Probleme auf konventionelle und innovative Weise lösen
  • Erfahrungen und Lernfortschritte kritisch reflektieren
  • verstehen wie Einzelteile in einem großen Ganzen zusammenspielen

Kommunikation

  • Gedanken und Ideen in mündlicher, schriftlicher und nonverbaler Form in verschiedenen Kontexten erfolgreich artikulieren
  • eine Vielzahl von Medien und Technologien verwenden
  • Kommunikation zu verschiedenen Zwecken (Anweisungen geben, informieren, überzeugen, …) erfolgreich einsetzen

Kollaboration

  • zielführend und respektvoll in einem Team arbeiten
  • flexibel und hilfsbereit sein bzw. Kompromisse eingehen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen
  • Verantwortung für ein gemeinsames Projekt übernehmen und die Arbeit von anderen schätzen

Jöran Muuß-Merholz hat die 4Ks und was sie bedeuten hier sehr übersichtlich zusammengefasst.

Alter Hut in neuem Design

Jetzt werden sich vielen von Ihnen vermutlich fragen, was denn daran neu sei. Immerhin haben die Menschen immer schon Kreativität und Innovation, Kommunikation und Kollaboration gebraucht, um weiterzukommen. – Sie haben Recht! Daran hat sich auch nichts geändert. Was sich aber verändert hat, ist die Welt, in der wir leben. Durch die Digitalisierung passiert Wandel, der früher einige Jahre in Anspruch genommen hat, nun innerhalb von wenigen Monaten. Dazu kann ich Ihnen das Video „Did you know?“ ans Herz legen. Es verdeutlicht sehr eindrucksvoll wie sich unsere Welt in den letzten Jahren verändert hat und welchen Einfluss die Digitalisierung auf diesen Wandel hat.

Beherrschen die SchülerInnen die 4Ks, dann können sie sich leichter anpassen und zurechtfinden. Das bedeutet, wir sollten alle versuchen, die 4Ks in unseren Unterricht zu integrieren. (Das Konzept der 4Ks findet sich übrigens auch in den österreichischen Lehrplänen!)

Keine Sorge, die 4Ks zu trainieren, ist viel leichter als Sie denken und viele von Ihnen machen das bestimmt schon, ohne dass es Ihnen bewusst ist.

Ideen zur Umsetzung mit easy 1

Kommunikation

Alle Illus: Lili Richter, Wien

In Unit 3 (S.26) sprechen Mira und ihre FreundInnen über Gefühle. Dazu verwendet das Buch bereits Emojis um die Gefühle zu unterstreichen. Die SchülerInnen könnten beispielsweise in weiterer Folge versuchen, ihre eigenen Gefühle mit Emojis auszudrücken und auf diese Weise miteinander kommunizieren. Den SchülerInnen macht diese Art der Kommunikation erfahrungsgemäß großen Spaß und es fällt ihnen auch sehr leicht, ihre Gedanken in Emojis zu fassen. Glauben Sie nicht? Lassen Sie Ihre SchülerInnen doch einmal eine Geschichte (ein Märchen, ein Lied, einen Film, etc.) nur mit Emojis nacherzählen! Die anderen müssen raten, worum es sich handelt. Sie werden überrascht sein, wie gut das funktioniert. Wenn Sie an der Bedeutung einzelner Emojis interessiert sind, werfen Sie mal einen Blick auf Emojipedia und EmojiMeanings – man glaubt es kaum, aber hier lauern einige Fettnäpfchen.

Kreativität

In Unit 5 (S.42) geht es um Kleidungsstücke. Hier bieten sich zahlreiche Möglichkeiten an, um Kreativität einzubinden. Sie könnten Ihre SchülerInnen zu Fashion Designern machen und sie eigene Kleidungsstücke entwerfen oder aus mitgebrachten Kleidungsstücken und Accessoires Outfits zusammenstellen lassen, die im Zuge einer Fashion Show präsentiert und prämiert werden. Wenn Sie digitale Tools einbinden wollen, so könnten Sie Ihre SchülerInnen eine Fotocollage mit ihren Lieblingskleidungsstücken zusammenstellen lassen. Gut eignet sich hier beispielsweise Adobe Spark Post, aber jedes Textverarbeitungsprogramm funktioniert genauso.

Haben Sie Ihre SchülerInnen schon mal online einen Comic erstellt? Hier ist wahre Kreativität gefragt. Auf StoryboardThat oder mit MakeBeliefsComix geht das wunderbar einfach.

Kollaboration

Die einfachste Methode um Kollaboration zu schulen sind Gruppen- oder Teamarbeiten. Eine Form der Zusammenarbeit aber, die zukünftig immer stärker gefragt sein wird, ist die Zusammenarbeit online. Auch das lässt sich im Unterricht gut umsetzen. Anstatt die SchülerInnen je eine eigene Collage mit ihrem Lieblingsoutfit machen zu lassen, könnten Sie eine PowerPoint oder GoogleSlides Präsentation vorbereiten und mittels Linkfreigabe an ihre SchülerInnen weitergeben. Nun kann jede/r SchülerIn eine (!) Folie mit seinem/ihrem Outfit gestalten. Alle arbeiten an der gleichen Präsentation, aber jede/r an seiner/ihrer eigenen Folie. So entsteht am Ende ein „Fashion-Lookbook“ Ihrer Klasse. Alternativ können Sie Ihre SchülerInnen auch bitten, ihr jeweiliges favourite food in einer Lernplattform zu präsentieren. Gut eignet sich hier bspw. ein Padlet. Die SchülerInnen könnten Fotos von ihrem Lieblingsessen posten und kurz erklären (schriftlich oder mündlich), warum sie es so gerne mögen. Auf diese Weise entsteht wiederum eine Sammlung der ganzen Klasse.

Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn es beim ersten Mal nicht klappt. Online-Kollaboration ist ein Lernprozess! Wichtig ist, den SchülerInnen klar zu machen, dass sie nur an ihrer eigenen Folie arbeiten und keinesfalls die Arbeit der anderen bearbeiten oder gar löschen dürfen, dies würde vermutlich auch später im Job nicht gut ankommen. (= Verantwortung für ein gemeinsames Projekt übernehmen und die Arbeit von anderen schätzen).

Kritisches Denken

Klassische Beispiele für Aufgaben, die das kritische Denken fördern, sind Aufgaben wie „find the odd one out“, Aufgaben, bei denen die SchülerInnen Dinge in die richtige Reihenfolge bringen oder in Kategorien sortieren müssen. Lassen Sie Ihre SchülerInnen doch die Vokabel zu einem Thema selbstständig und sinnvoll sortieren oder in einer Mind-Map gruppieren (geht auch online: MindMup, Mindmeister).

Wenn Ihre SchülerInnen online Comics erstellen, dann müssen sie kritisch denken, um sich zu überlegen, wie die Einzelteile ihres Comics zusammenspielen. Gleiches gilt im Übrigen auch für das Schreiben von Geschichten oder das Aufnehmen von Videos und Audios.

Unzählige Möglichkeiten

Sie sehen, es gibt unzählige Möglichkeiten, um die 4Ks zu trainieren und es ist gar nicht so schwierig. Oft lassen sich die einzelnen Ks auch miteinander kombinieren, bspw. können die SchülerInnen ihre Collagen oder Comics gemeinsam mit einem Partner erstellen (Kreativität, Kritisches Denken & Kollaboration) und anschließend schriftlich oder mündlich präsentieren (Kommunikation), hier gibt es zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten.

Was all diese Aufgaben gemeinsam haben, ist, dass die SchülerInnen selbst aktiv werden und eigenständig arbeiten. Also versuchen Sie es! SchülerInnen, die tüfteln und ausprobieren können, sind für die Herausforderungen des 21.Jahrhunderts bestens gewappnet!

 

[1] Dieses Gedankenexperiment stammt von Bernie Trilling und Charles Fadel, die dieses in ihrem Buch 21st Century Skills: Learning for Life in our Times vorstellen.

[2] Trilling, Bernie and Charles Fadel (2009). 21st Century Skills – Learning for Life in Our Times. Jossey Bass: San Francisco, p.55

 

Arbeitet als AHS Lehrerin an einem Gymnasium in Salzburg und ist Fachdidaktikerin für Englisch an der Universität Salzburg. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten, digitale Tools im Unterricht, bietet sie in ganz Österreich Workshops und Vorträge an. digiteachit@gmail.com | https://www.digiteachit.wordpress.com

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